Arabien in Granada

Unverhofft bekommen wir am Morgen ein fantastisches Frühstück aufgetischt. Der Tag wäre gut begonnen, würden wir uns nicht dann beim Verlassen des Anwesens eine unangenehme Beule in den oberen, seitlichen Aufbau fahren. Dumme Sache, Klaus ärgert sich schwarz, die Kinder und ich sehen es nicht ganz so schlimm. So lang die Reise nichts Schlimmeres bringt… Nach einem gemütlichen Spaziergang durch Òrgiva, wo uns einige „Hippies“ und manch passender Laden auffallen, begeben wir uns wieder auf die Straße. In Lanjarón, dem Kurort mit seinem guten Mineralwasser, füllen wir an einem Brunnen unsere Wasservorräte. Leopold und Aurelia spielen dort auf einem Spielplatz, wo es Pfefferbäume gibt. Leopold sammelt natürlich wieder und so ist unser rosa Pfeffervorrat in Kürze so voll wie noch nie. Meinem Kopf geht es heute nicht allzu gut und ich fühle mich etwas träge, so dass ich eigentlich wenig Lust habe, schon in die nahegelegene Stadt Granada zu fahren; aber als die Landschaft nach dem Verlassen der Alpujarras sehr flach und monoton wird und wir definitiv keinen schönen Platz zum Stehen finden, gebe ich doch grünes Licht für Granada und die Alhambra. Am späten Nachmittag fahren wir also vor dem Weltkulturerbe Alhambra vor und sind empört über die Parkplatzgebühr für Caravans: 25 Euro (und ab dem 1. Juni sogar das Doppelte) werden für 24 Stunden berappt. Das sehen wir nicht ein und so stellen wir uns gar nicht viel weiter entfernt hinter ein Café auf einen Schotterparkplatz. Hier kehren wir als „Gegenleistung“ dafür mehrmals ein. Von diesem Standort aus haben wir einen grandiosen Blick über (die Neustadt von) Granada und abends stehen wir vor Jakls Schnauze am Abgrund und betrachten das Meer aus Lichtern. Da es für heute schon zu spät für eine Alhambra-Besichtigung ist und wir außerdem eh erst morgen Karten bekommen können, spazieren wir hinunter in die Altstadt, das bekannte Stadtviertel Albaicín. Der Weg hinab ist zwar steil, aber wunderschön, denn an der Festungsmauer der Palastanlage rankt sich dank eines frischen Baches allerhand grünes und blühendes Gewächs. Die Kinder und natürlich auch der Hund sind dankbar für das kühle Nass (wir übrigens auch). Gemeinsam bauen wir einen Damm und spielen fröhlich. Irgendwann können wir uns doch von unserem Wasserspiel losreißen und bestaunen die hübsche Stadt. Also Granada ist ganz gewiss eine der schönsten Städte dieser Reise und auf jeden Fall einen eigenen, ausführlicheren Stadtbesuch wert. In den Straßen sehen wir viele Menschen mit Dreadlocks, bunten Bändern und Klamotten, einfachen Schlappen, Piercings, Tattoos und viel Silberschmuck. Natürlich werden diese oft musizierenden und singenden Menschen häufig von Hunden begleitet. Die „Hippies“, die an mancher Ecke auch Kunststücke wie Feuertänze oder Jonglagen aufführen, beleben die Stadt zusätzlich. Die an die Sierra Nevada angrenzende kleine Metropole ist sehr gepflegt. Auffallend und für unseren Nachwuchs Spaß bringend, da sehr rutschig, sind die vielerorts in den Hauptstraßen verbauten Marmorböden. Solch schönen Bodenbelag würde sich mancher für sein Heim wünschen. Es mutet sehr edel an. Mir gefallen auch wieder einmal die Läden sehr gut: Es gibt eine große Anzahl an maurischen Lädchen und charmanten, wie ich immer sage, Hippieläden. Hier bekommt man so schöne Besonderheiten und allerlei Buntes, Silbernes und Lustiges. Leopold hat in solch einem Geschäft in Tarifa einen hübschen Ring bekommen. Heute abend möchte Sohnemann gerne Paella essen und ich brauche dringend Wifi. Wir entdecken ein kleines marokkanisches Restaurant, welches beides Notwendige anpreist. Plato hängen wir neben uns, aber vor dem Laden an, er ist schlichtweg zu groß und gerade zu unruhig für die kleine Sitzbank und das Tischchen, welche sehr gemütlich, aber eben eng platziert sind. Der ganze Raum ist typisch arabisch dekoriert, überall hängen und stehen bunte, gläserne Lampen, die Wände sind mit farbigen Stoffen behangen, es gibt Shishas in allen Größen und bunte, flauschige Kissen machen das Sitzen richtig erholsam. Den Eindruck, man befände sich tatsächlich in arabischem Lande, bekräftigt nun noch der Hausherr: Ein Hüne von einem Mann, gut genährt, mit einem mächtigen, muslimischen Bart und lustigen Augen und einem ständigen Lachen auf dem Gesicht. Er stellt sich mit Ahmed vor und ehe es sich die Kinder versehen, hat Leopold einen roten, arabischen Hut mit einer schwarzen Quaste auf und Aurelia ein „Prinzessinen-Bauchtanz-krönchen“. Darüber hinaus verpasst er den verblüfften Kiddys ein „Namens-Tattoo“ in arabischer Schrift. Leopold überrascht mich, eigentlich schon seit einiger Zeit auf dieser Reise: Wenn er nach seinem Namen gefragt wird, ist er zwar schüchtern, aber doch antwortwillig. Auch gibt er die Hand oder antwortet auf Fragen. Zwar merkt man, dass es ihn Überwindung kostet, aber er macht doch ganz offensichtlich eine Entwicklung durch. Außerdem ist er empfänglicher für ernste Gespräche und zeigt starke empathische Fähigkeiten. Bei Streitigkeiten zwischen mir und meinem Mann, die nun natürlich hin und wieder vorkommen, greift er dezent ein und appelliert v.a. bei mir oft an meine Nachgiebigkeit. Seit der „Wahrheit von Vinuela“ kommen Leopold und ich besser klar: Ich bemühe mich bewusster um meinen Umgang v.a. mit ihm und wir beide haben sogar eine Abmachung, dass ich nicht mehr schimpfe! Und wenn, sag ich „Pupsnase“. Das ist natürlich so interessant, dass teils auch provoziert wird, allerdings ist meine Reaktion daauf für ihn wieder so erstaunlich, dass er „aufwacht“ und sich ebenfalls beherrschter verhält. Auf jeden Fall macht er jetzt richtig gut mit den Späßen des Arabers mit. Er läuft nicht weg, was er sonst getan hätte, sondern schaut dem zwar freundlichen, aber für die Kinder doch sicher respekteinflößenden Mann ins Gesicht und schäkert mit dem Hut draußen auf der Straße, wo bereits Plato für Publikum sorgt: Köterchen liegt zwar nur entspannt vor dem Lokal, aber allein mit seiner Größe scheint er die Menschen schon zu beeindrucken. Es bleiben ständig Leute stehen, amüsieren sich über ihn oder fotografieren gar. Am amüsantesten sind die Japaner: Sie kichern, zeigen auf den Vierbeiner, fotografieren, filmen und reden ganz aufgeregt. Der so rubio (blonde) Leopold fällt zusätzlich auf. Ich halte Leopold an, seinen Hut verkehrt vor Plato auf den Boden zu stellen – vielleicht können wir uns so unser Abendessen verdienen. Ahmed greift den Spaß auf und geht sogleich wie mit einem Klingelbeutel in die Runde. Wir wollen Paella bestellen und den Wifi-Code erfragen – und Ahmed enttäuscht uns, dass es heute beides nicht gibt. Nun ja, Pech gehabt, aber nett ist es ja trotzdem und so bestellen wir ein sehr gutes Cous-Cous-Gericht und einen verdammt süßen, aber hervorragenden Minztee, der ganz klassisch in der silbernen Kanne und den attraktiven bunten Goldrand-Gläsern serviert wird. Aurelia hat nun die Rolle der Schüchternen übernommen. Hat Leopold bis vor kurzer Zeit noch den Mut seiner Schwester gebraucht, so sucht diese mittlerweile eher unseren Schutz. Allerdings beobachten wir ständig, dass Aurelia eher die Nähe anderer Kinder sucht und dabei auch schnell Anschluss findet, während Leopold den Erstkontakt eher meidet oder manchmal direkt vor anderen Kindern flüchtet. Mit Ahmeds Späßen mag Aurelia jedenfalls gerade so gar nicht mitmachen. Vielleicht ist sie auch einfach nur zu müde. Seit Tagen, wenn nicht gar Wochen, kommen die Kleinen nicht vor Sonnenuntergang (ca. 21.30 Uhr) ins Bett und stehen meist schon wieder gegen halb zehn auf. Schlafen während der Fahrt oder gar Siesta gibt es eigentlich fast gar nicht mehr. So fallen wir nach unserem „Aufstieg“ zurück zu Jakl todmüde ins Bett. Leider schlafe ich nun schon dritten Tag in Folge richtig schlecht – diesmal, wie auch schon gestern, dank richtig blöder Hunde, die meinen, die halbe Nacht bellen zu müssen…

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