Zigeunerleben am Bachlauf

Leider werden wir morgens von „Picknickplatzaufräumern“ aufgeweckt. Da wir vergessen haben, Brot zu kaufen, gibt es heute gutes Müsli. Eigentlich wollten wir trotz Schönheit des Platzes weiterfahren, aber da es wirklich heiß wird und der Bach sich, auch wenn er kalt ist, zum Spielen und Planschen anbietet, bleiben wir noch. Wir waschen einige Kleinigkeiten mit der Hand und hängen sie an unserer Wäscheleine in den warmen Wind. Der Tag verläuft entspannt, ich komme endlich seit längerer Zeit wieder dazu, das Tagebuch auf Vordermann zu bringen. Die Tage sind lang und im Normalfall komme ich entweder nur während der Fahrt zum Schreiben oder abends. Heute habe ich richtig Lust zu schreiben und nutze dazu einen schattigen Picknicktisch, nachdem ich mich zuvor ein wenig gesonnt habe und nun Abkühlung brauche. Die Kinder spielen natürlich im Bach und vormittags haben sie sich sogar einmal relativ lang mit Plato bei einem Leckerli-Versteckspiel beschäftigt. Heute sind wir alle ganz schön träge; dennoch steige ich am späten Nachmittag – nach der ärgsten Hitze – mit Leopold ein bisschen den Berg hinauf. In der Ferne sehen wir die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada. Wir selbst sind hier schon über 1100 Meter hoch – aber von Kühle ist nichts zu spüren. Der Boden ist trockener als trocken, das Bachbett, in dem wir hoch wandern, hat schon ewige Zeiten kein Wasser mehr gesehen. Ganz fantastisch ist der Duft: Rosmarin und andere herrlich riechende, teils blühende Kräuter lassen die Abejas (Bienen) nur so schwirren. Bald sehen wir auch die dazugehörigen Bienenstöcke. Dieser Honig muss wirklich lecker schmecken ASonne flirrt immer noch, dennoch klettern wir noch weiter. Das Überqueren einer kleineren Staumauer (ob sie je ihren Zweck erfüllen wird?) macht uns Spaß, Plato kuckt irritiert, klettert aber schließlich doch mit. Und obwohl dem Kerl natürlich tierisch heiß ist, spürt er ein Tier auf und möchte jagen. Ich bremse ihn ein und wir nehmen dies zum Anlass, wieder zurückzukehren. Beim Abstieg entdecken wir die Reste eines Kadavers, wahrscheinlich eine Ziege. Leopold bedauert, dass es kein Steinbock war, da er dann jetzt tolle Hörner hätte. Bei einem Ananas-Sahne-Cocktail erfrischen wir uns beim Jakl und beenden so langsam den Tag, in der Hoffnung, dass wir morgen dann einmal früher loskommen. Leopold ist vor dem Schlafen gehen überdreht und im Gegensatz zu den letzten Tagen wie ausgewechselt: Er ärgert Aurelia, die entspannt malen möchte und stichelt und quengelt die ganze Zeit vor sich hin, ist empfindlich gegenüber allem, was man sagt und aufbrausend und anstrengend. Unsere kleine Waage scheint wieder aus dem Gleichgewicht gekommen zu sein, das ich zuletzt in Granada erst noch so stolz bewundert habe…

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